Gedanken zu Gott und Moral

 

Wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt.

(Fjiodor Dostojewskij, russischer Dichter)

So brachte der russische Dichter Dostojewskij zum Ausdruck, dass Gott für ihn Begründer der Moral und Garant für deren Einhaltung unerlässlich sei. Gäbe des diesen Gott nicht, gäbe es auch kein moralisches Verhalten.

Auch heute noch sind Millionen Christen von Dostojewskijs Diktum zutiefst überzeugt. Trotzdem sei die Frage erlaubt: Stimmen Dostojewskijs Worte tatsächlich? Gehen wir dieser Frage nach und schauen etwas genauer hin.

Die Voraussetzungen

Damit Gott zur Moralbegründung herbeigezogen werden kann, müssen wenigstens drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Gott muss existieren
  2. Gott hat moralische Normen gegeben und wir kennen sie
  3. Gott muss moralisch vollkommen sein
Werfen wir daher einen Blick auf die einzelnen Voraussetzungen:

1. Gott muss existieren

Gläubige Christen haben keinen Zweifel daran, dass Gott existiert. Unso erstaunlicher ist es daher, dass es dafür nicht den geringsten Beweis gibt.

Auch wenn Gott angeblich tagtäglich ins grosse Weltgeschehen wie auch in unser tägliches Leben eingreift und Dinge und Verhältnisse verändert, gibt es dafür keine einzige nachweisbare und erst recht keine ihm zweifelsfrei zuschreibbare Spur - und dies, obwohl Gott dazu ja in unserer materiellen und untersuchbaren Welt aktiv werden muss, was nicht spurlos möglich ist.

Gottes Existenz und Wirken als eben solches nachzuweisen ist offensichtlich unmöglich. Das spricht Bände, wird doch bereits seit Jahrtausenden auf alle möglichen Arten versucht, diesen Gott zu beweisen.

Wenn über Jahrtausende hinweg alle Versuche scheiterten, Existenbeweise für Gott beizubringen, dann ist das solche qualifizierte Abwesenheit von Beweisen. Das wiederum ist nichts anderes als ein Beweis für Abwesenheit von Existenz, also ein Beweis für die Nicht-Existenz Gottes.

Die Deutlichkeit dieser Aussage mag erstaunen. Jedoch sind die Gläubigen, die behaupten, dass es Gott gibt, notwendigerweise diejenigen, die Gottes Existenz beweisen müssten. Genau so müsste ja auch derjenige, der behauptet, unsichtbare rosarote Einhörner zu züchten, die Existenz solcher Fabelwesen nachweisen, um nicht als Irrer taxiert zu werden

Solange also Gottes Existenz und sein Wirken nicht nachweisbar sind, ist und bleibt Gott ein Fabelwesen genauso wie das ominöse unsichtbare rosarote Einhorn.

Auch ohne an dieser Stelle auf weitere schwer wiegende Argumente gegen Gottes Existenz (z.B. die Theodizeeproblematik) einzugehen, können wir festhalten:

Gott ist nie über den Status einer unhaltbaren Existenzbehauptung hinausgekommen! Moral kann daher nicht mit Gott begründet werden.

2. Gott hat moralische Normen erlassen und wir kennen sie

Ein nicht-existenter Gott kann keine bestimmt keine Moralnormen erlassen.

Gehen wir deshalb wider besseres Wissen für die weitere Vertiefung einfach davon aus, Gott existiere und habe tatsächlich eine Moralnorm erlassen. Wie macht dieser Gott uns denn mit diesen Normen bekannt?

Die Antwort im Christentum ist eindeutig: In der Bibel, oft auch als Wort Gottes oder Offenbarung Gottes bezeichnet, offenbart er sie uns.

Nur leider gibt es nach nunmehr über 200 Jahren theologischer Bibelforschung und Jahrzehnten moderner wissenschaftlicher Forschung keinen Zweifel mehr daran, dass die Bibel bei weitem nicht ist, was sie vorgeblich sein soll.

Schon ihre historische Zuverlässigkeit ist nicht gegegeben. Viel zu viel von dem, was in der Bibel zu finden ist, ist entweder nie oder dann nicht wie beschrieben geschehen oder es passt einfach nicht in die beschriebene Zeit. So dürfte es, um nur ein Beispiel zu nennen, inzwischen Allgemeinwissen sein, dass der Auszug aus Ägypten nie stattfand.

Nur allzu oft proijezierten die Verfasser der Schriften ihre Vorstellungen und Phantasien von Gott, der Welt und der Geschichte des Volkes Israel in ihre Schriften - und jubelten diese Schrift auch schon mal Männern längst vergangener Zeiten als deren Werk unter.

Auf diese Weise gestalteten die Schreiber der alten Schriften einerseits die eigene historische Vergangenheit nach ihren Vorstellungen. Andererseits konnte bereits Geschehenes, das man beschrieb und "zurückdatierte", als sicher eingetroffene Prophezeiung ausgelegt werden. Solche Pseudo-Weissagungen stimmten natürlich immer, war das Vorausgesagte doch zum Zeitpunkt der "Voraussage" schon Vergangenheit, also bereits geschehen.

In vielen Schriften des Neuen Testamentes sind auch massive Fälschungen bei späteren Überarbeitungen nachweisbar. Und auch hier schreckten die Menschen wie schon im alten Testament nicht davor zurück, ganze Schriften unbekannter Verfasser einer bekannteren Person als Verfasser zuzuschreiben (so z.B. die beiden Petrusbriefe). So verlieh man derartigen Falschzuschreibungen (Pseudoepigraphen) göttliche Autorität.

Andererseits ist die Bibel inhaltlich voller unauflösbarer Widersprüche. So gibt es beispielsweise zwei unterschiedliche Versionen der Zehn Gebote. Welche ist richtig? Oder dann heisst es, nur Werke würden gerecht machen, nicht jedoch Glaube. An anderer Stelle jedoch findet sich das genaue Gegenteil. Was stimmt?

Würden wir tatsächlich Gottes Wort in der Bibel antreffen, wäre Gott ein wahrer Chaot oder womöglich gar schizophren.

Es ist vollkommen auszuschliessen, dass ein wahrer Gott derartige Verfälschungen von Geschichte und Wort zulassen und sich selbst dermassen in gravierende Widersprüche verstricken würde - und das Ganze auch noch als sein Wort durchgehen liesse.

Würde also Gott existieren und hätte moralische Richtlinien erlassen, so gibt es mit Sicherheit keine vertrauenswürdige Quelle, aus der wir sie erfahren könnten.

Voraussetzung 3: Gott muss moralisch vollkommen sein

Auch diese Voraussetzung kann nicht erfüllt sein, wenn Voraussetzung 1 nicht erfüllt ist.

Nehmen wir deshalb erneut wider besserem Wissen an, dass Gott existiert, er uns erkennbare Moralnormen gegeben hat und dass wir, entgegen dem zuvor Gesagten, uns darauf verlassen können, dass uns die Bibel das wahre Wesen Gottes zeigt.

Damit wir einer göttlichen Moralnorm zustimmen können, müssen wir davon überzeugt sein, dass ihr "Herausgeber" selbst moralisch vollkommen und allgütig ist und daher nur unser Bestes will.

Aber wie können wir erkennen und beurteilen, ob Gott moralisch vollkommen ist, wenn wir nicht bereits eine Vorstellung davon mitbringen, was moralisch gut oder schlecht ist?

Wir können uns dabei offensichtlich nicht auf Gott berufen, denn sonst bewegen uns wir im Kreise im Sinne von "Gott ist gut, weil er sagt, dass er gut ist."

Vollkommen zur Farce geriete eine moralische Norm, so Gott per Dekret verfügen könnte, dass das, was wir als böse erachten, fortan gut zu sein habe und umgekehrt.

Es ist also unabdingbar, dass wir unseren eigenen, nicht auf Gott basierenden moralischen Massstab mitbringen, was wiederum bedeutet, dass Moral auch losgelöst von Gott existiert.

Wenn wir Gottes moralische Qualität beurteilen wollen, müssen wir erneut die Bibel konsultieren. Tun wir das unvoreingenommen, offenbart sie uns jedoch Schreckliches, da wir darin Hunderte meist höchst blutiger Ungeheuerlichkeiten finden, die Gott entweder selbst verübte oder anordnete, so wie in diesem Beispiel:

Samaria muss büssen, dass es sich aufgelehnt hat gegen seinen Gott. Sie sollen durchs Schwert fallen und ihre kleinen Kinder zerschmettert und ihre Schwangeren aufgeschlitzt werden. (Hosea 14,1)

Offensichtlich bleibt eine Gräueltat, selbst wenn sie Gott gebietet, für uns Menschen eine bestialische Untat.

Auch das Neue Testament, auf das sich Christen gerne beziehen, lässt Gott resp. seinen angeblichen Sohn nur besser aussehen, weil vieles ausgeblendet wird. Vor allem mit Andersgläubigen und jenen, die sein Wort nicht annahmen, kannte er keine Gnade:

Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein um seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist. (Mt 18,6)

So verfluchte Jesus auch ganze Städte - und die Offenbarung, deren Hauptakteur der Gottessohn ja ist, ist an widerlichster blutiger Gewalt nicht mehr zu übertreffen. Dort findet sich auch dieses (im Vergleich zu anderen) noch harmlose Wort:

So spricht der Sohn Gottes ... und ihre Kinder werde ich in den Tod schicken ... (Off 2, 18, 23

An dieser Bibelstelle bemerkenswert ist, dass hier der junge so wie schon der alte Gott unschuldige Kinder bestraft für die Vergehen anderer! Das erstaunt doch sehr, gilt doch der Gottessohn bei den Christen als Inbild eine kinderliebenden Gottes. Da müssten die Christen wohl nochmals über die Bücher.

Wer offen und ehrlich ist zu sich selber, wird eingestehen müssen: Die Bibel zeichnet von der ersten bis zur letzten Seite ein so grausames und bestialisches Gottesbild, dass man weder Gott noch seinen Sohn als Begründung für unsere moralischen Normen verwenden darf.

Verbessert Gott unser moralisches Verhalten?

Nun, könnte dann wenigstens der Glaube an Gott das moralische Verhalten der Gläubigen positiv verändern?

Es lässt sich nicht leugnen, dass der Gottesglaube das moralische Verhalten der Gläubigen beeinflusst. Auch wenn es viele positive Beispiele gerade auch christlicher Nächstenliebe gibt, so verwundert es angesichts der biblischen Grausamkeiten nicht, dass das Christentum mit seinen im Namen Gottes verübten Kriegen und Untaten eine blutige Spur durch die Geschichte zog - und zwar bis auf den heutigen Tag.

Man könnte hierzu Kriege nennen, die im Namen Gottes geführt wurden, die Kreuzzüge, die Verbrennungen von Hexen und Ketzern, die Verfolgung, Folterung und Tötung von Ungläubigen und speziell auch der Juden, die Verfolgung und Ermordung von Homosexuellen bis auf den heutigen Tag (in Uganda beispielsweise werden Homosexuelle auf offener Strasse von fanatischen evangelikalen Christen umgebracht) und noch so vieles mehr.

Fazit

Gott ist für die Moralbegründung nicht nur unnötig, sondern er erweist sich dafür sogar in jeder Beziehung als völlig unbrauchbar. Der deutsche Philosoph Herbert Schnädelbach bezeichnete die einleitend zitierten Worte Dostojewskijs bei einer öffentlichen Diskussion am 28.11.2013 in Berlin daher durchaus treffend als "dümmsten philosophischen Spruch" und "intellektuelle Panikmache".

Wir können uns glücklich schätzen, dass dieser Gott des Schreckens, den uns die Bibel zeigt, nichts weiter ist als ein unmenschliches Phantasiewesen, das vor Jahrtausenden in den Köpfen einiger höchstwahrscheinlich geistig reichlich gestörter und verirrter Propheten und Schreiberlinge entstanden ist.

Tragisch ist nur, dass auch in unserer heutigen aufgeklärten Welt Millionen von Menschen das alles noch immer uneingeschränkt glauben. Glücklicherweise werden es immer weniger.

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Diese Seite wurde letzmals am 05. Juni 2017  aktualisiert.